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Aufgaben, Chancen und Visionen:
Interview mit Dr. Witt, COO der Jagenberg AG

Aufgaben, Chancen und Visionen:
Interview mit Dr. Witt, COO der Jagenberg AG

Dr. Stephan Witt, 48, ist seit Juli 2021 als COO Teil des Vorstandes der Jagenberg AG. Im ersten Teil unseres Interviews spricht der Leiter des operativen Geschäfts über neue Aufgaben, wichtige Unternehmensthemen und das Wachstum der Jagenberg Gruppe.

Hallo Herr Dr. Witt. Danke, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Sie sind jetzt seit etwas über einem Jahr Teil des Vorstandes und Chief Operating Officer der Jagenberg Gruppe. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?


Ich bin ja nun schon seit mehr als sechs Jahren in der Jagenberg Gruppe und habe als Geschäftsführer bei der Firma Kampf Schneid- und Wickeltechnik GmbH & Co. KG lange das operative Geschäft verantwortet. In der Position habe ich viele Mitarbeitende und die anderen Geschäftsführer bereits kennenlernen können. Wir haben in verschiedenen Gremien gemeinsam die Ausrichtung und Struktur der Gruppe organisiert. Insofern war der Übergang kein Sprung ins kalte Wasser, sondern eher eine Umstellung. Klar, das Büro in Krefeld und das direkte Umfeld waren erst einmal neu. Aber im Großen und Ganzen wusste ich von Tag eins an, worum es geht, und habe mich schnell in die wichtigen Themen einfinden können.

Welches sind denn die wichtigen Themen, an denen Sie arbeiten?


Das sind im Grunde genommen drei große Themenkomplexe, mit denen ich mich auf Gruppenebene befasse.

Zum einen verantworte ich als COO das operative Geschäft im Bereich Industrial Solutions. Dazu gehört es, in den einzelnen Unternehmen der Gruppe die Eigenverantwortung beizubehalten und gleichzeitig ein abgestimmtes Agieren zu gewährleisten. Dazu treffen wir uns beispielsweise regelmäßig in Strategiemeetings, wie ich sie bereits aus meiner Zeit vorher in der Gruppe kannte. Natürlich ist mein Fokus nun ein anderer. Aber nach wie vor diskutieren wir hier die Strategie sowie ihre Ergebnisse für das eigenständige Handeln der Unternehmen unter Berücksichtigung der definierten Leitplanken. Dieses Vertrauen den Unternehmen gegenüber ist für mich ganz entscheidend für den gemeinsamen Erfolg.

Eine weitere spannende Frage, mit der ich mich befasse, ist: Wie möchten wir die Gruppe und ihre Geschäftsfelder entwickeln? Die vor einem Jahr gegründete Jagenberg Converting Solutions GmbH ist hier ein ideales Beispiel. Denn schlüsselfertige Anlagen für die Batterieproduktion sowie Surface- und Dekoranwendungen sind für uns noch recht neu. Damit tragen wir den Anforderungen der Märkte Rechnung. 
Zu dem Bereich gehört es auch, neue geeignete Unternehmen und Technologien für die Gruppe zu suchen und einzugliedern.

Und zum Dritten befasse ich mich mit dem Außenauftritt der Gruppe, was ein Novum darstellt. Während wir traditionell als „diversifizierte Firmengruppe“ auftraten, legen wir nun den Fokus auf Synergien. Unser gemeinsamer Nenner ist die Verarbeitung von bahnförmigen Materialien – zum Beispiel für elektronische Bauteile, Verpackungen und Medizin- sowie Batterietechnik. Für die Unternehmen bedeutete das gemeinsame Auftreten und das gemeinsame Markenbild zugegebenermaßen erst einmal eine Zäsur. Das war nicht leicht für jeden, denn es bedeutete auch, etwas Vertrautes aufzugeben. Hier bestand unsere Aufgabe als Vorstand zu einem großen Teil darin, zuzuhören und die Idee hinter unserem Leitbild CREATE.FUTURE.TOGETHER. und dem Gesamtauftritt zu erklären. Es war uns wichtig, möglichst alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen, ihnen die Ängste zu nehmen und die Vorteile aufzuzeigen, die eine solche Veränderung mit sich bringt. 
Das ist uns sehr gut gelungen. Die gemeinsame Marke ist gut verankert und wir sind dabei, nach den Corona-Lockdowns, die ersten großen Messeauftritte als erkennbares Zeichen umzusetzen.

„Das Vertrauen den Unternehmen gegenüber ist für mich ganz entscheidend für den gemeinsamen Erfolg."

Dr. Stephan Witt, COO Jagenberg AG

Abgesehen von den Themen selbst, an denen Sie arbeiten: Wie unterscheidet sich das Arbeiten als Mitglied des Vorstandes von Ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer?


Das unterscheidet sich räumlich und auch im täglichen Zusammenarbeiten. Bei der grundsätzlichen Ausrichtung des Unternehmens stimme ich mich sehr eng mit Herrn Dr. Bröker ab. Gemeinsam vertreten wir die Gruppe auch nach außen. Dazu gehören ebenfalls Termine mit Politikern, Bankenvertretern, dem Inhaber Herrn Kleinewefers, dem Aufsichtsrat und allen anderen Stakeholdern. Dadurch sind die Kommunikation und die Zuständigkeit zwangsläufig andere, sie sind weniger direkt. Nach innen gerichtet verstehe ich meine Aufgabe den Unternehmen der Gruppe gegenüber als beratend, eher als Lotse für die Unternehmen denn als Kapitän, wenn man so will.

Also sehen Sie sich im Vergleich zum traditionellen Verständnis von Führungskräften mehr als Teamplayer?


Meines Erachtens funktioniert dieses klassische Modell mit Führungskräften und Entscheidungen von oben herab nicht mehr. Die Dynamik und Komplexität im Geschäftsleben sind einfach zu groß. Stattdessen muss man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend ihren Kompetenzen einbinden und zur Teilnahme an Veränderungen und Eigenverantwortung motivieren. Wir haben bei Kampf gesehen, welch effektive und nachhaltige Ergebnisse es hervorbringt, wenn man alle Beteiligten „bottom-up“ einbindet. Natürlich mussten wir einige Rahmenbedingungen vorgeben. Aber Freiraum zu schaffen hat sich als genau richtig erwiesen und bei Kampf beispielsweise die Projektbearbeitung enorm zum Positiven verändert.